home  I about us  I  Markantes, Infos .... I  Memoranden I  Links

 

Anerkennung von Kindererziehung in der eigenen Familie als berufspraktische Tätigkeit außerhalb des Hochschulbereichs als Einstellungsvoraussetzung für Fachhochschullehrerstellen in Sozialarbeit/Sozialpädagogik (Mai 1982)

Wie im 1.Info bereits berichtet, wurde der Minister für Wissenschaft und Forschung, Hans Schwier, um Anerkennung von Kindererziehung in der eigenen Familie als berufspraktische Tätigkeit außerhalb des Hochschulbereichs als Einstellungsvoraussetzung für Fachhochschullehrerinnen gebeten. Der Minister erteilte Einen abschlägigen Bescheid mit dem Hinweis, daß die praktische Erfahrungsarbeit "nachweisbare Ergebnisse" über eine qualifizierte "wissenschaftsnahe" berufsbezogene Befähigung Auskunft erteilen soll. Die Praxis als Mutter und Hausfrau könnte aber als zusätzliches Element neben den Einstellungsvoraussetzungen bei der Bewerberauswahl berücksichtigt werden. Dr. Bärbel Schön-Stommer antwortete ausführlich auf diesen Bescheid, indem sie u.a. die Interpretation des Begriffs der Berufspraxis erörterte.(Vgl. 1.Info, S.23 28).

Hier die Erwiderung des Mininisters vom 3. Mai 1982:

Ich will gerne Ihre Fragestellung in Ihren Schreiben vom 14.1.1982 und vom 25.1.1982, für die ich Ihnen danke, noch einmal aufgreifen:
Ist im Bereich der Sozialarbeit/Sozialpädagogik die im Gesetz geforderte Verknüpfung von wissenschaftlicher und praktischer Arbeit bei Wissenschaftlerinnen, die zugleich Mütter sind, gegeben?
Sie sind offenbar der Meinung, daß diese Frage jedenfalls für Professuren in den genannten Studiengängen im Grundsatz und auch für Sie persönlich bejaht werden muß. Mir scheint eine solche, eindeutig positive Antwort allerdings nicht möglich zu sein. Grundsätzlich hätte ich schon Bedenken dagegen, eine bestimmte, hier sehr entscheidende Professorenqualifikation, nämlich die "besonderen Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Methoden während einer ... beruflichen Praxis" (§ 32 Abs. 1 Nr. 4 FHG) quasi ad personam zu bestätigen. Das wäre auch in anderen vergleichbaren Bereichen, z.B. bei der Feststellung habilitationsadäquater Leistungen nicht angebracht, weil es vor allem auf eine entsprechende Entscheidung der Hochschule im Einzelfall ankäme.
Ich will mich deshalb auf Anmerkungen zu Ihren allgemeinen Überlegungen beschränken: Zunächst scheint mir Ihr Gedanke daß gerade die Tätigkeit als Mutter und Hausfrau eine besonders geeignete Vorbereitung auf eine Tätigkeit als Professorin in den Studiengängen Sozialarbeit/Sozialpädagogik darstelle, nicht so zwingend zu sein, wie Sie ihn darstellen. Zwar will ich gerne einräumen, was ich auch schon in meinem Schreiben vom 11. November 1981 getan habe, daß Erfahrungen auf diesem Gebiet in bestimmten Fächern für die Lehre in Sozialarbeit/ Sozialpädagogik sehr nützlich sein können. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß sich weite Bereiche in diesen Studiengängen mit Themen befassen, die nicht in unmittelbarer Verbindung zur rein familiären Erziehung und den Erfahrungen darin stehen. Ich denke an Fächer wie Rehabilitation, Administration, Arbeit in sozialen Einrichtungen, außerfamiliäre Erziehung, Jugend und Erwachsenenarbeit und dergleichen.
Entscheidender aber als die Frage, inwieweit die berufspraktische Tätigkeit als Mutter und Hausfrau dem in den Studiengängen Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu vertretenden Fach entspricht, halte ich das Problem der erwähnten "besonderen Leistungen bei der Anwendung oder der Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Methoden" in dieser Tätigkeit. Denn darin werden Sie mir zustimmen solche Tätigkeiten erfordern weder die Anwendung noch die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Methoden. Diese können zwar hier wie in vielen anderen Lebensbereichen zum Tragen kommen. Unbedingt notwendig sind sie dagegen bei der praktischen Tätigkeit einer Hausfrau und Mutter nicht.Der Nachweis solcher Leistungen wird deshalb in diesem Bereich vielfach problematisch sein.
Wird indessen der Nachweis durch Veröffentlichungen über besondere Aspekte der Tätigkeit als Hausfrau und Mutter oder einen Bericht darüber geführt, die nachvollziehbar die besonderen Leistungen bei der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Methoden während dieser beruflichen Tätigkeit darstellen, so sind die Voraussetzungen einer Anerkennung als berufspraktische Tätigkeit im Sinne von § 32 FHG gegeben. Wäre eine derartige Verbindung von Wissenschaft und Praxis nicht belegbar, könnte der praktischen Tätigkeit nicht der besondere Stellenwert zugemessen werden, den ich bereits in meinem Schreiben vom 11.11.1981 beschrieben und in den Gesamtzusammenhang der Professorenqualifikation gestellt habe.
Die Anrechnung einer solchen Berufstätigkeit sollte allerdings wegen der schon oben (Seite 2, 2. Absatz) dargestellten Beschränkung einer familiären Tätigkeit auf bestimmte Gebiete der erforderlichen Praxis auf ein bis höchstens eineinhalb Jahre beschränkt werden. Mein Hinweis in diesem Schreiben auf die Möglichkeit, daß an Fachhochschulen ausnahmsweise auch die Habilitation oder habilitationsadäquate Leistungen statt der besonderer Leistungen in der Praxis bei der Einstellung von Professoren verlangt werden können, haben Sie wohl mißverstanden. Hier handelt es sich nicht, wie Sie offenbar meinen, um eine Entscheidung, die je nach dem wissenschaftlichen Ausweis der (des) in Betracht kommenden Bewerberin (Bewerbers) zu treffen wäre. Vielmehr ist diese Anforderung schon bei der Widmung der Stelle, also vor ihrer Ausschreibung, festzulegen ("Soweit es in besonderen Ausnahmefällen der Eigenart des Faches und den Anforderungen der Stelle entspricht, ..." vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1 FHG).

 

Mit freundlichen Grüßen
Hans Schwier
Minister für Wissenschaft und Forschung
3. Mai 1982

TOP